Informations-schreiben Cooperative Praxis
Informationsschreiben
Cooperative Praxis

Cooperative Praxis ist „Mediation ohne Mediator“, ein Verfahren, das auf Idee und Technik der Mediation basiert und gleichzeitig den Konfliktlösungsprozess noch effizienter auszugestalten versucht. Cooperative Praxis ist als Verfahrensansatz jünger als Mediation, weist – kommend aus den USA als „Collaborative Law“ – indes ebenfalls eine bereits rund zwanzigjährige Entwicklungsgeschichte auf und fasst auch in Europa Fuß.

Bei klassischer Mediation führt das Gebot der Neutralität des Mediators, das Gebot dessen „Allparteilichkeit“, dazu, dass dieser seine über die Kompetenz der Verfahrensführung hinaus regel- mäßig – etwa als Rechtsanwalt – vorhandene weitere Fachkompetenz kaum zur Lösungsfindung einbringen kann und darf. Der Mediator ist nicht Fachberater der Parteien, insbesondere nicht einer Partei, auch dann nicht, wenn einer Partei offenkundig Fachinformationen fehlen. Das klassische Mediationsverfahren bedarf an solcher Stelle der Unterbrechung, damit die Partei externen – insbesondere auch anwaltlichen – Rat hinzuziehen kann. Damit ist zusätzlicher Aufwand und Zeitverlust verbunden. Das Gebot der Neutralität des Mediators, seiner Allparteilichkeit, vermag dar- über hinaus dazu zu führen, dass sich der Mediator bei der Verfahrensführung noch stärker als geboten zurückhält, nur um jeden Anschein – verbotener – Parteinahme für eine Konfliktpartei zu vermeiden, zumal in der Dynamik der Konfliktsituation liegt, dass jede Streitpartei den Mediator für sich einzunehmen zu versuchen und umgekehrt verdeckter Sympathie für die andere Partei verdächtigen mag.

Cooperative Praxis begegnet dem dadurch, dass das Verfahren nicht von einem oder mehreren neutralen Mediatoren geführt wird, sondern jede Partei von einem Berater – Anwalt – begleitet wird, der mit dem Instrumentarium der Mediation vertraut und darauf verpflichtet ist, und das Verfahren – zusammen mit dem Begleiter der anderen Partei – in gleichsam mediativer Struktur zu führen vermag und führt. Über diese Struktur wird einerseits die „Drittperson“ des Mediators im Verfahren verzichtbar und steht andererseits jeder Konfliktpartei sofort ein fachkompetenter Berater mit zur Seite.

Folgende Prinzipien liegen der Cooperativen Praxis üblicherweise zu Grunde:

  1. Die Parteien verpflichten sich, die streitrelevanten Fakten und Informationen wechselseitig offen zu legen und vereinbaren gleichzeitig die inhaltliche Reichweite dieser Pflicht. Die Parteien verpflichten sich des Weiteren, im Fall des Scheiterns des Prozesses der Cooperativen Praxis von solcherart erhaltenen Informationen vor Gericht keinen Gebrauch zu machen;
  2. Die Parteien verpflichten sich wechselseitig, während des Prozesses der Cooperativen Praxis auf Klagedrohungen zu verzichten;
  3. Die Parteien verpflichten sich wechselseitig, Schiedsgutachten anzuerkennen und auf Parteigut- achten zu verzichten;
  4. Im Falle der Verletzung gemeinsam vereinbarter Regeln ist der Prozess der Cooperativen Praxis beendet. Die Bindung an die gemeinsam aufgestellten Verfahrensregeln ist unbedingt;
  5. Die beteiligten Berater verpflichten sich wechselseitig und gegenüber den Parteien, für eine Vertretung der Sache vor Gericht bei Scheitern der Cooperativen Praxis nicht zur Verfügung zu stehen;

Der Prozess der Cooperativen Praxis besteht im Kern aus „Vierergesprächen“, das heißt Beteiligung jeweils der Parteien nebst ihrer Berater an allen wesentlichen Gesprächen. Das kürzt Kommunikationswege ab und nimmt den Parteien die Möglichkeit, sich hinter ihren Beratern zu verschanzen, umgekehrt den Beratern die Möglichkeit, Ansatzpunkte für direkte Kommunikation zwischen den Parteien zu verschütten. Kommunikationshürden und Kommunikationsstörungen infolge z. B. Emotionen oder Eskalation werden mit klassischem mediativen Instrumentarium bearbeitet und beseitigt. Die Vierergespräche gliedern sich typischerweise in ähnliche Abschnitte wie klassische Mediation:

  1. Vereinbarung des formellen Verfahrensablaufs – “Arbeitsbündnis“;
  2. Bestimmung und Sammlung der erheblichen Informationen;
  3. Be-/Abstimmung der wechselseitigen Interessen, Bedürfnisse und Werte;
  4. der eigentliche Prozess des Verhandelns, erforderlichenfalls unter Hinzuziehung weiterer Experten für ausgrenzbare Teilaspekte/-fragen;
  5. Vereinbarung und Umsetzung der Lösung.

Auch die aus dem Verfahren Cooperativer Praxis resultierende Vereinbarung kann in Form einer Notarurkunde niedergelegt und damit – gleich einem Gerichtsurteil – vollstreckbar ausgestaltet werden. In der Praxis kommen Vollstreckungen aus solchen Vereinbarungen fast nicht vor – Notwendigkeit solchen Zwangs vermag praktisch eigentlich nur dann aufzutreten, wenn der Konfliktlösungsprozess unvollständig geblieben ist. Das soll bei gut geführter Cooperativer Praxis nicht der Fall sein.